Lehrangebot / Courses

Wintersemester 2025/26

Im Wintersemester 2025/26 bietet der Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt der Geschichte Osteuropas folgende Lehrveranstaltungen an / In the winter semester 2024/2025, the Chair of Modern and Eastern European History offers the following courses:

Oberseminar, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt der Geschichte Osteuropas

2 SWS / Deutsch / Katja Makhotina / Do 14:00 – 16:00 c.t.

Das Oberseminar versammelt Vorträge zu aktuellen Themen der Osteuropäischen Geschichte von Erlangener Absolventinnen und Absolventen sowie auswärtigen Gästen. Es dient allen an der Osteuropäischen Geschichte Interessierten als Diskussionsforum und wissenschaftliches Laboratorium.

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Krieg und Besatzung im Baltikum: Geschichte und Erinnerung

2 SWS / Deutsch / Katja Makhotina  / Mi 14:00 – 16:00 c.t.

Die ersten von der Wehrmacht besetzten Gebiete Osteuropas waren die heute unabhängigen Staaten Lettland, Litauen und Estland. Sie waren keine eigenständigen Angriffsziele, sondern Durchgangsgebiete auf dem Weg der deutschen Armee nach Leningrad und Moskau im Rahmen des sogenannten „Unternehmens Barbarossa“, des Feldzugs gegen die Sowjetunion. Dieser Krieg war von Beginn an als Raub- und Vernichtungskrieg geplant, in dessen Verlauf Millionen Menschen verhungern oder versklavt werden sollten.

Das Baltikum gilt in der Forschung nicht zufällig als „Testgelände des Holocaust“: Bereits Ende September 1941 hatten deutsche Polizeieinheiten und einheimische Helfer den Großteil der jüdischen Bevölkerung in den ländlichen Regionen Litauens und Lettlands ermordet. Der Einmarsch der Deutschen bedeutete sofortige Entrechtung, die Verhaftung jüdischer Männer als vermeintliche „Bolschewisten“, Ghettoisierung und ab Ende August 1941 schließlich den Völkermord durch die systematische Erschießung auch von Frauen und Kindern.

Während des gesamten Krieges starben in den baltischen Republiken mindestens 270.000 Juden, die meisten von ihnen in Litauen. Das Schicksal der litauischen Juden war besonders tragisch: Litauen galt als ein Zentrum jüdischen Lebens in Osteuropa, die Stadt Vilnius als „Jerusalem des Nordens“. Bis zum 1. Dezember 1941 waren die meisten dieser Menschen
bereits in zahlreichen Massenerschießungen ermordet worden, die unter deutscher Zivilverwaltung (Reichskommissariat Ost) von Einsatzgruppen und litauischen Schützenbataillonen durchgeführt wurden. Die Beteiligung litauischer Kollaborateure am Holocaust blieb ein schmerzliches Trauma für die wenigen Überlebenden und prägt die litauisch-jüdischen Beziehungen bis heute.

In der Sowjetunion wurde die Erinnerung an den Holocaust durch ein heroisches, siegeszentriertes Narrativ überlagert: Jüdische Opfer wurden innerhalb der Gesamtzahl von 14 Millionen ermordeten sowjetischen Zivilisten nicht gesondert hervorgehoben. Erst nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit konnte sich eine spezifisch jüdische Erinnerungskultur im öffentlichen Raum entwickeln; in Lettland und Litauen entstanden Jüdische Museen. Dennoch bleibt die Frage der breiten lokalen Mittäterschaft am Holocaust eine schwere Bürde in den Beziehungen zwischen Überlebenden und Mehrheitsgesellschaft. Die Erinnerung an den Holocaust im Baltikum ist bis heute von Erinnerungskonkurrenzen und Opferhierarchien geprägt.

Lernziele

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Geschichte der Sowjetunion 1922 – 1991 

2 SWS / Deutsch /Katja Makhotina / Mo 14:00 – 16:00 c.t.

Die vor hundert Jahren gegründete Sowjetunion wollte als erster sozialistischer Staat auf Erden in die Geschichte eingehen, ihre Ausstrahlung bewirkte die politischen Umbrüche auf der ganzen Welt. Das Erbe dieses Experiments ist auch heute noch sichtbar, so wie die Kontroversen um seinen Gründungsmythos – die Große Russische Revolution 1917 noch immer andauern:

War 1917 ein Aufbruch zur Freiheit und Gerechtigkeit, ein Staatsstreich oder eine nationale Katastrophe? Die Vorlesung wird an der Revolution 1917 ansetzen und den Bürgerkrieg (1918-1922) thematisieren, aus dem die Sowjetunion hervorgegangen ist. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Nationalitätenpolitik der Bolschewiki in den ehemaligen Teilen des zerfallenen Russländisches Kaiserreichs – von der Ukraine über Kaukasus bis zur Zentralasien. Wir widmen uns dem ersten sowjetischen Jahrzehnt mit all seiner kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Ambivalenz: Den kühnen biopolitischen Zukunftsvisionen (z.B. den Kosmisten), der ersten sowjetischen Avantgarde und der Neuen Ökonomischen Politik.

Die Stalinzeit war mit ihrem „Großen Umbruch“ und der konservativen Kulturrevolution eine ähnlich große Zäsur der Geschichte, wie die Leninsche „Revolution“ selbst. Stalin setzte auf die forcierte Industrialisierung, zerschlug bäuerliche Wirtschaft und bäuerliche und nomadische Lebenswelten mit größter Gewalt, die die ganzen Landstriche in der Ukraine, in
Kasachstan und an der Wolga entvölkerte, er tauschte die Spezialisten in der Industrie und Eliteschichten in der Partei aus, ließ Häftlinge in Lagern als Arbeitssklaven ausbeuten und setzte den Massenterror in Gang.

Im letzten Teil der Vorlesung widmen wir uns dem Zweiten Weltkrieg, der am 1. September 1939 mit Hitlers Überfall auf Polen begann. Wir sprechen über die Bedeutung des Molotov-Ribbentrop-Paktes für die zwei Jahre deutsch-sowjetischer Kooperation auf den besetzten Gebieten des Baltikums und Polens. Der deutsche Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, angefangen am 22. Juni 1941, wird als „Krieg wie kein anderer“ genannt. Wir sprechen über die Strukturen der Vernichtung als leitender Logik der NS-Führung, über die Orte der Gewalt und über die Erinnerungskultur. Die Vorlesung schließt mit der unmittelbaren Nachkriegszeit, der Gewalt im Spätstalinismus und mit der Frage, wie die heutige russische Gesellschaft mit der Figur Stalins umgeht.

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Making History in Digital Age: Digital Tools for Historical Research

2 SWS / Englisch / Dinara Gagarina / Mo 10:00 – 12:00 c.t.

This course offers an introduction to digital history within the wider domain of digital humanities, delving into the methodologies, strategies, and technologies that are transforming historical scholarship in the digital era. Although it addresses digital history on a worldwide scale, the focus is particularly on initiatives and the unique characteristics of digital history in Eastern Europe and Central Asia. Participants will explore how digital techniques enrich historical investigations – via cultural hertage digitization, computational analysis, and data visualization – and analyze case studies that illustrate regional implementations. The program empowers learners with hands-on abilities to incorporate digital resources into their historical work. It examines an array of digital techniques and technologies – such as text-processing tools, GIS systems, visual methodologies, and AI applications – to advance research efforts and project creation.

Please note that the first class of the course will take place on October 22.

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Die Sowjetunion in der Stalinzeit: Neue Ansätze der Stalinismusforschung

2 SWS / Deutsch / Katja Makhotina / Do 12:00 – 14:00 c.t.

Die Zeit zwischen dem Beginn des ersten Fünfjahresplanes samt nachfolgender Zwangskollektivierung und dem Tod Stalins ging als Ära des „Stalinismus“ in die Geschichtsschreibung ein. In der gesamten sowjetischen Geschichte stellte dieser Zeitabschnitt eine besondere Form der Herrschaftsverfassung sowie der Sozial- und Kulturpolitik dar. Somit unterschied sich diese Phase gravierend von der Zeit davor (Leninismus) und danach (Chruschtschows Liberalisierung). Das Proseminar diskutiert unterschiedliche Ansätze der Stalinismusforschung in der westlichen und russischen Geschichtsschreibung – u.a. Stalinismus als Zivilisation, das Stalinsche im öffentlichen Raum sowie seine individuelle Subjektivierung und Reflexionen des Stalinismus in Kunst und Kultur.

In dem Proseminar soll neben der Rolle der Gewalt (von Säuberungswellen der Parteikader bis zum Großer Terror), der Ideologie und des Personenkults auch das alltägliche Leben der jungen sowjetischen Gesellschaft („Flugsandgesellschaft“, Moshe Lewin) besprochen werden. Aufgrund der bis heute sehr widersprüchlichen Wahrnehmung von Stalin und der Zeit des Stalinismus in der russischen Gesellschaft, wird der Themenaspekt des Stalinismus in der post-sowjetischen Erinnerungskultur einen ebenfalls wichtigen Platz in der Übung einnehmen.

Lernziele

Verständnis von der „Gemachtheit“ der Geschichte durch das Durchdenken wichtigster Theorien und Methodologien; Grundwissen über die Schlüsselelemente der Stalinschen Herrschaft; Suchen, Lesen und Verstehen von Selbstzeugnissen aus der Zeit; Quellenanalyse; Diskursanalyse; erinnerungskulturelle Ansätze. Im Proseminar werden auch die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeiters vermittelt.

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Ost- und Westeuropa zwischen den Weltkriegen

2 SWS / Deutsch / Igor Biberman / Einzeltermine + Blockseminar

In der deutschsprachigen Geschichtsschreibung wurde die Zwischenkriegszeit lange als „Binnenzeit“ zwischen zwei Weltkriegen gelesen; der Weg in den Zweiten Weltkrieg schien in der Pariser Nachkriegsordnung bereits angelegt. Diese teleologische Sicht hat die neuere Forschung deutlich relativiert.

Aktuelle Ansätze rücken eine transnationale Vergleichsperspektive in den Blick: globale Vernetzungen, koloniale Bezugshorizonte sowie Prozesse der Staats- und Nationsbildung auf den Trümmern der Habsburgermonarchie und des Russischen Reiches. So erscheint die Zwischenkriegszeit im gesamteuropäischen Vergleich als vernetzte, politisch wie kulturell umkämpfte Epoche.

Zeitgenoss:innen erlebten zugleich Phasen der Liberalisierung und Demokratie-Experimente sowie eine sich überlagernde Polykrise aus Weltwirtschaftskrise und Inflation, Gewalt und Grenzkonflikten, die Prozesse der Autokratisierung beförderte. Politisch rangen demokratische und faschistische, kommunistische und nationalistische Ordnungsentwürfe um Macht, Legitimität und Deutungshoheit.

Im Rahmen der Praxisübung betrachten wir die Zwischenkriegszeit als verflochtene europäische Epoche, die Ost- und Westeuropa gemeinsam denkt – über Demokratie- und Krisenerfahrungen, Gewaltgeschichte, internationale Ordnungspolitik, Geschlechtergeschichte, Migrationsforschung sowie postkoloniale Perspektiven bis hin zur Kultur- und Mediengeschichte.

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Exkursion zum HS Krieg und Besatzung im Baltikum: Geschichte und Erinnerung

Im Rahmen der viertägigen Exkursion werden Orte des Holocaust by bullets in Riga und in Liepāja (Lettland) besichtigt.  Der Termin wir den Teilnehmenden des Hauptseminars zeitnah bekanntgegeben (vrsl. März 2026).

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